Anlehnung
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- Philip Schlusslicht
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Kaum verwunderlich, dass ich das Leben kaum werte, wenn doch dass, was sich mir einladend als Heimat gegenüberstellt, im Moment meiner Ankunft dazu übergeht sich mir zu entfremden. Wie sollte es so auch anders sein, als dass mich diese Entwicklung kaum noch beunruhhigt? Kenne ich sie doch zur Genüge, nicht nur als Aspekt einer jeden Erzählung, mehr noch; ich habe sie so oft erfahren, dass sie zu einem Teil meines Selbstversändnisses wurde.
Heimatlosigkeit und Entfremdung, einziger Unterschied zwischen diesen beiden Polen scheint meine Entscheidung zu sein; sind sie es, die mich nicht willkommen heißen wollen oder bin ich es, der willkommen ist? Wundere ich mich noch über diese Asymmetrie, bin ich schon wieder umringt von Fremden. Zwar zeigen ihre Gesichter sichtlich Interesse an meiner Geschichte, doch wie sicher ist es, dass es meine Erzählungen sind, die dort Neugier hervorrufen und nicht das Interesse an der Historie und Konvention der Fremdheit per se?
Im ständigen Zwiespalt dieser Ambivalenz ziehe ich den einzig zulässigen Schluss und verweigere mich der Entfremdung dort wo ich bin, wie ich mich der Heimatlosigkeit dort hingebe, wo ich nicht bin; so bin ich also immer daheim und nie fremd. Existenzielle Fragen nach dem Dasein beantworte ich mit der Entscheidung des hier und dort. Die Verpflichtung des Daseins verlege ich so ins Jenseits meiner Existenz, über die Grenzen meines Horizontes hinaus und lasse anstehen, was nicht akut ist.
Einzig die Frage nach Ursachen lässt mich nicht ruhen: Führe ich zu dieser Ablehnung, wird sie von meiner Anlehnung hervorgerufen, oder ist diese Ablehnung vielmehr die Negation jeglicher Anlehnung? Worte, die über mich fallen, was sind sie für mich? Stehen sie vor mir und sollen mich ausmachen kann ich mich entscheiden: Stehe ich ihnen bei oder doch eher hinter dem gesamten Diskurs, der mich umgibt?