Evolution der Revolution
- Author
- Philip Schlusslicht
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Das Ziel der Aufklärung, sich unter anderem wiederholend in der Frankfurter Schule, zielt darauf ab, den Menschen zum Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, zu erziehen. Der Erfolg dieses Unterfangens liegt darin, dass der “aufgeklärte” Mensch sich bewusst ist über seine “Aufgeklärtheit” und damit narrensicher gegenüber der Fremdbestimmung fühlt.
Mit dieser Errungenschaft hat die Aufklärung gerade ihr Gegenteil erreicht und dafür gesorgt, dass gezielte Manipulation sich unter dem Deckmantel der reflektierten Selbstkritik in die Gedanken der “Aufgeklärten” schleichen kann. Die Formen der wohlwollenden Darlegung von Wahrheiten zur Bildung einer eigenen Meinung nimmt die Fremdbestimmung dort an, wo sie fruchtbaren Nährboden für tiefgreifende Wurzeln wittert: Sie kann auf die Früchte eines ausgewachsenen Wissensbaumes hoffen, wenn sie einen gezielten Keim der Fehlinformation sät.
Letztendlich muss jede Wahrheit auf diese Struktur zurückgreifen; sie muss sich tief in den latenten Mustern des Denkens festigen und von dort aus Wurzeln in alle möglichen Richtungen treiben um Früchte zu tragen, die wiederum in der Umwelt Keime säen und sich fortpflanzen.
Somit kann die einzig erfolgreiche Art der Aufklärung nur diejenige sein, die keinerlei Gedanken vorgibt: Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Und dennoch: Wer schreibt, der bleibt.
Eine weitere Konsequenz dessen ist, dass eine Wahrheit, die sich schneller verbreiten kann, als sie von den Gärtnern - den Kontrollinstanzen der Wissensproduktion - eingedämmt werden kann, sich durchsetzen und zu einer dominanten Spezies im Garten Eden werden muss.
Dabei spielen die Art des Untergrundes und die Widerstandsfähigkeit der Frucht die entscheidende Rolle. Schafft sie es so anpassungsfähig zu sein, sich jede mögliche Biosphäre zu eigen zu machen, so ist ihr ein Eingang in die Geschichte kaum zu verwehren. Lediglich im Nachhinein, wenn sie aufgrund des Erreichens eines Gleichgewichtszustandes mit dem Ökosystem verwundbar wird, so kann es geschehen, dass sich ein ihr natürlich gegenüberstehender Feind entwickelt.
Eine Wahrheit kann auch mit einem Virus verglichen werden. Sie besitzt ohne einen Träger nicht die Möglichkeit sich zu verbreiten geschweige denn zu mutieren, kann sich aber, einmal von einem Wirt aufgenommen, zu einem gefährlichen Element entwickeln.
Je infektiöser also eine Wahrheit ist, je eher sie zu Mutationen tendiert, desto höher ist ihre Chance sich in den Gedanken der Menschen auszubreiten. Es bedarf lediglich eines revolutionären Faktors, einer einzigen Zelle, um die gesamten Wissensvorräte der Menschheit zu vernichten; derjenige, der allem bestehenden Wissen, den gesammelten Viren, den nötigen Nährboden zur akkumulierten Mutation bietet, ist derjenige, der die Revolution in sich trägt, sie inkubiert.