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Verachtung

Author
Philip Schlusslicht
Datetime
Permalink
https://phil.oso.phil.ist/verachtung.html
Wordcount
396

Die charmante Fähigkeit der Selbstbeschreibung ohne den dauerhaft penetranten Hinweis auf die eigene Superiorität, in einschlägigen Kreisen auch Understatement genannt, wurde blutig niedergestreckt. Etabliert hat sich statt dessen die ekelhafte Angewohnheit des Verweisens auf soziale Reputation und der damit verbundenen Unterstellung von Persönlichkeit, meist geformt aus Hochmut, Arroganz und Ignoranz; Merkmale, gezeichnet vom Mangel jeglicher Grundlage und Rechtfertigung, denn für all diese bedarf es Können, Wissen und Erfahrung, kurz gesagt: Charakter.

Das was unter Kleinkindern noch die Hackordnung definiert, das boshafte Übersehen von Fähigkeiten, Rechten und Interessen anderer, wird im Alltag der sich als mündige Menschen betrachtenden transformiert in die egomanische Wahrnehmung der eigenen Person und die immer beschränktere Darstellung selbiger – widerlich beschränkt auf Aspekte, die in der schwadronierenden Herde besagte Reputation zu verschaffen versprechen. Verloren gehen dabei die Qualitäten einer Person, die nicht nur Persönlichkeit emulieren, sonder sie auch angemessen darzustellen vermögen.

Ursache dafür ist wohl zum Einen die Inkompetenz besagter Herdentiere im täglichen Leben, die durch überstrapazierte Selbstdarstellung Kompensation sucht, und zum Anderen treibt anscheinend auch die Befürchtung des Verlustes von Anschluss an die Herde so manchen in den Wahn des bodenlosen Dilettantismus. Mehr Schein als Sein ist ein zentrales Motiv, das seinen Hunger an jeder Fähigkeit zu stillen sucht, die sich unerwartet Ausdruck verschaffen könnte und einen Funken Wahrheit und Wirklichkeit in die Welt des präambivalenten Irrsinns tragen könnte.

Als wäre all das nicht traurig genug, reagieren die meisten Betroffenen beim Hinweis auf diese Unzulänglichkeiten auch noch mit totaler Ablehnung. Zum Zuge kommen ihre überlebenswichtigsten und ausgeprägtesten Fähigkeiten: Hochmut, Arroganz und Ignoranz. Reflexion ist ein Fremdwort und Einsicht eine Sünde könnte man meinen, wenn man sich dieses traurige Gesindel vor Augen führt.

Wenn Du, geneigter Leser, Dich jetzt angegriffen fühlst, dann habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen. Wenn Du Dir weiterhin denkst, dass ich nur ein frustrierter und einsamer Idiot sei, der seine Unfähigkeit im sozialen Alltag ausgleichen will, dann habe ich nicht nur einen wunden Punkt getroffen, sondern Dich ferner sogar sehr passend kategorisiert. Mit ziemlicher Sicherheit fühlst Du Dich mir dann auch nach wie vor überlegen und hakst mich wie auch diesen Text hastig ab, um Deinen eigenen Gedanken von Selbstkritik gar nicht erst in Dein Bewusstsein aufsteigen zu lassen.

Wenn Du mir hingegen in allen Punkten absolut Recht gibst, Dich innerlich auf meine Seite schlägst und abgrenzen willst von diesem vorhersehbaren Fußvolk, dann hast Du schlichtweg kein Rückgrat.